Die Arbeitsbelastung steigt und fast die Hälfte der Mitarbeitenden fühlen sich gestresst am Arbeitsplatz. Ein beobachtetes Phänomen ist, dass die Anzahl der Führungskräfte in Unternehmen zunimmt und folglich vergrößert sich die Komplexität und das Konfliktpotential. Während die Erwerbsbevölkerung in den letzten zehn Jahren um 8.3 Prozent gewachsen ist, verzeichnen Führungskräfte einen Anstieg von 38 Prozent. Jede 12. Erwerbsperson ist heute eine Führungskraft. Vor zehn Jahren war es noch jede 15. [1]
Wird ein Mehraufwand generiert und das Mittlere Kader gibt nur Anweisungen von der oberen Führungsetage weiter und blockt vorgeschlagene Veränderungen aufgrund von Eigeninitiative und Innovationskraft der Mitarbeitenden ab? Es braucht klar ein Umdenken und ein „Rebranding“ des Mittleren Kaders, um nicht in die beschriebene Ecke des amerikanischen Anthropologen David Graeber in seinem Bestseller „Bullshit Jobs“ gedrängt zu werden und den Ansprüchen von flachen und agilen Hierarchien und Unternehmensformen gerecht zu werden.
Ein kürzlich publizierter Artikel im Fachmagazin „Harvard Business Review“ mit dem Titel „Don’t Eliminate Your Middle Management“ macht sich für diese unterschätzte Führungsschicht stark. Ebenfalls sind im „Economist“ (Das Potential und die Notlage des mittleren Managers oder in der „Financial Times“ (Was eine gute mittlere Führungskraft ausmacht) ähnliche Vorstöße gemacht worden, um die Wichtigkeit dieser Stufe zu beleuchten. Eine Stufe, die für die Umsetzung von Veränderungen, Kulturentwicklung und Transformationen in Unternehmen wichtig ist. Aus der Forschung weiß man, dass Strategien scheitern, wenn sie nicht richtig umgesetzt oder missverstanden werden und folglich verpuffen viele Ressourcen, die anders und nachhaltiger genutzt werden könnten.
Nebst einer zu vergrößernden Handlungs- und Entscheidungsspielraums braucht es eine Stärkung der Führungskompetenzen und den Einbezug in der Ausgestaltung der Wertvorstellungen eines Unternehmens, um den „New Work“-Dimensionen genügend Rechnung zu tragen.
Das Leben wird heute nicht mehr so stark in Arbeit und Freizeit unterteilt, sondern im Ganzen als die Summe aller Tätigkeiten betrachtet. Die „Sinn-Ökonomie“ ist ein „Game-Changer“ des „New Work“-Gedankens und beeinflusst den Kulturgedanken und die -entwicklung eines Unternehmens in einem noch verstärkten Masse als in der Vergangenheit. Die Sinnfrage als zentrale Motivation und Treiber bei Menschen im Mittleren Kader lässt dies vermehrt ins Zentrum des Lebens rücken. In diesen zeitlichen Übergängen wird Mentoring noch eine verstärkte und weiterentwickelte Rolle bei Führungskräften bilden. Wenn Wirklichkeiten „Konstrukte“ sind, sind Mentoring-Beziehungen eine einzigartige, dynamische und komplementäre Form der Unterstützung, wie sie auch als Analogie bei Dr. Otto Scharmer [2] als eine Möglichkeit des „Design Thinking Prozess“ in seiner U-Theorie zu finden lässt. Das Mittlere Kader sollte mit neuen Kompetenzen gestärkt werden. Sie haben in den heutigen Zwängen und Verantwortlichkeiten teilweise den inneren Kompass verloren und brennen langsam innerlich aus, leiden vor sich hin oder verharren ängstlich in alten Rollen. Es geht um die Bildung einer Grundkonstante für eine sinnstiftende und gelingende Führung. Als Führungskraft braucht man eine gute Selbstorientierung, die sich aus den eigenen Werten und der eigenen Haltung ableitet. Diese Erkenntnis unterstützt die Umsetzungskompetenz und führt schlussendlich von der Erkenntnis ins Handeln. Das Mittlere Kader ist das Bindeglied innerhalb der Unternehmensebenen und dieser Kern sollte gestärkt werden, um das kollektive Wissen sichtbar zu machen und für das Unternehmen produktiv zu nutzen.
[1] Recherche in der November-Ausgabe von KMU-Today
[2] Deutscher Ökonom und Buchautor